22. Juni 2022
Ausführungen zuständiger Regierungsmitglieder lassen die Alarmglocken für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich, aber auch Österreich und Europa schrillen. „Man mag das noch als Pokerspiel abtun, Tatsache ist: Die Preise steigen weiter in wettbewerbsgefährdende Höhen und die Energieversorgung ist alles andere als gesichert. Beides schadet Oberösterreich enorm. Ich habe daher unseren wissenschaftlichen Leiter ebenso wie den IWS-Geschäftsführer ersucht, eine Abschätzung über die Auswirkungen einer Nichtbelieferung mit Gas für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich sowie eine Abschätzung für Österreich und Europa zu machen“, erklärt IWS-Präsident Dr. Christoph Leitl. Ziel dieser Arbeit soll es sein, nicht leichtfertig mit diesem Thema umzugehen, sondern sich der Ernsthaftigkeit bewusst zu sein. Dazu gehört auch, mögliche alternative Überlegungen einzubringen, um aufgezeigten möglichen Szenarien entgegenzuwirken.
„Ich habe auch die Vertreterin der Wirtschaft Oberösterreichs im Europaparlament Dr. Angelika Winzig ersucht, auf der europäischen Ebene bewusstseinsfördernd einzuwirken. Diese Arbeit soll eine Hilfestellung für sie dazu sein“, betont Leitl.
Gasembargo oder Lieferstopp
„Die Lage ist ernster als manche noch immer glauben“, sagt Gottfried Kneifel, Geschäftsführer der Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS). „Der Ukraine-Russland-Krieg hat nicht nur enorme menschliche und leidvolle Folgen für die von der Katastrophe betroffenen Militärs und die Zivilbevölkerung. Die Betroffenheit erreicht fast alle Länder der Welt in unterschiedlichen Stufen und Konsequenzen. In der EU und im EU-Parlament wird ernsthaft ein strenges Gas-Embargo erwogen. Ebenso findet gerade ein Gas-Teil-Lieferstopp – ausgelöst von Russland – gegenüber Deutschland und Österreich statt.“ Es sei daher höchst an der Zeit, sich nicht nur atmosphärisch und rhetorisch mit den wirtschaftlichen Folgen einer solchen Maßnahme zu beschäftigen.
Kneifel: „Nachdem es noch immer Stimmen gibt, die von einer durchaus zu bewältigenden Situation ausgehen – ohne fundierte Zahlen und Fakten zu nennen –, hat die Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) eine Eigen-Studie in Auftrag gegeben, um die Argumentation zu objektivieren und wissenschaftlich basiert zu bereichern.“
Simulations-Ergebnisse
In der Studie wird angenommen, dass ein Lieferstopp/Embargo von russischem Gas zum
1. Juli 2022 beginnt und die Berechnungen erfolgen als Durchschnittswerte für die folgenden
zwölf Monate. Ebenfalls werden in der Studie die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erfassen versucht, wobei aber nicht zwischen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit unterschieden wird. Nicht untersucht wurden etwaige weitere Abwärtsrisiken auf das Wirtschaftsgeschehen, etwa durch starke Preissteigerungen oder Verstärkung der Lieferkettenproblematik.
Diese IWS-Studie berücksichtigt eine pessimistische Variante (SZ 1) als Ecklösung, wenn wirklich nur eine Minimalvariante an Substitutions- und Einspar-Möglichkeiten umgesetzt werden kann, sowie eine optimistische Variante – ebenfalls als Ecklösung – für den Fall, dass mehr Substitutions- oder Einsparmöglichkeiten umgesetzt werden können. Beide Varianten orientieren sich basierend auf dem Gas-Verbrauch 2020.
Ergebnisse konkret: bis zu 56.000 Arbeitslose allein in OÖ
Die stark negativen Folgen eines unmittelbaren Gas-Embargos oder Lieferstopps innerhalb von 12 Monaten sind für OÖ mit einem Rückgang des OÖ-BIP zwischen 6,5 Prozent (SZ 1) oder 3,4 (SZ 2) Prozent bzw. zwischen 4,24 oder 2,22 Milliarden Euro
beträchtlich. Auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit bis zu 56.000 (SZ 1) oder 31.620 (SZ 2) ist bemerkenswert.
Friedrich Schneider: Erste konkrete Studie für OÖ
„Welches der beiden Szenarien das wahrscheinlichere ist, ist derzeit nicht abschätzbar. Deshalb sollen beide Szenarien gleich ernst und zutreffend genommen werden. Ich betone, dass dies die erste Studie für OÖ ist, und wie der kurze Literaturüberblick auf die Länderstudien in Deutschland und Österreich zeigt, dass viele Annahmen (Befüllung der Gasspeicher) laufend aktualisiert werden müssen und sich die Ergebnisse daher rasch ändern können.“
IWS: Nein zu Gasembargo -– Europäische Union ist gefordert
- Auch in OÖ soll die Abhängigkeit von russischem Erdgas so rasch wie möglich reduziert werden. Die Suche nach alternativen Produzenten ist stark zu intensivieren.
- Gas muss zumindest als Brückentechnologie weiterverwendet werden können.
- Die EU ist gefordert, internationale Energiekooperationen zu vereinbaren und Liefermengen aus anderen Ländern – z. B. Norwegen – beschaffen.
- Der Umbau bzw. Ausstieg aus den fossilen Energieträgern ist zu beschleunigen und die heimische Alternativ-Energie-Produktion ist zu forcieren, damit Österreich in weiterer Folge weniger erpressbar wird.
- Strompreise entlasten und keine Gesetze, die Betriebe belasten.
- Genehmigungsverfahren für neue alternativ-Energie-Anlagen beschleunigen.
- Angesichts der drohenden, wissenschaftlich klar nachweisbaren negativen Konsequenzen mit katastrophalen betriebs- und volkswirtschaftlichen Folgen ist ein Gasembargo ohne Kompensation für Österreich nicht vertretbar.
Die IWS-Schneider-Studie zum Download
Schneider_GAS_Embargo_OOE_Studie_FS_2022 Kopie
Das Medienecho …
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