DR. CHRISTOPH LEITL
5. Mai 2017
Die Digitalisierung und der rasch wachsende Einsatz von Robotern ist die vielleicht drama-tischste Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft seit der industriellen Revolution – mit großen Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Eine Studie der Universität Oxford schätzt, dass bis 2030 etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der westlichen Welt nicht mehr existieren werden.
IWS-GF Dr. Kurt Pieslinger, Dr. Elisabeth Dreer und Univ.-Prof. Dr. Friedrich Schneider (beide JKU/v. l.). © IWS/Engelsberger
WIFO und IHS gehen für Österreich von 300.000 bis 400.000 Arbeitsplätzen aus, die durch die Digitalisierung verloren gehen werden. Bisher sind es vor allem mangelhaft Ausgebildete, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, durch die Digitalisierung werden in Zukunft auch Berufe mit höherer Qualifikation gefährdet sein – beispielsweise in Banken, bei Versicherungen, im Transportwesen, in Labors etc.
Als Reaktion auf die zu erwartende Entwicklung wird von der Wissenschaft und von Spitzenmanagern die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert:
· Siemens-Vorstand Joe Kaeser: „Eine Art Grundeinkommen wird unvermeidlich sein.“
· Telekom-Chef Timotheus Höttges fordert ebenfalls eine Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen.
· dm-Gründer Götz Werner hält in seinem Buch „Einkommen für alle“ ein bedingungsloses Grundeinkommen für notwendig und machbar.
· Das Weltwirtschaftsforum in Davos hat sich erstmals mit diesem Thema befasst.
· In der Schweiz gab es eine Volksabstimmung über die Einführung eines Grundeinkommens von 2500 Franken, in Finnland und in den Niederlanden laufen derzeit Praxistests.
Um die Diskussion auch in Österreich in Gang zu bringen und eine wissenschaftliche Basis dafür zu liefern, hat die Initiative Wirtschaftsstandort OÖ (IWS) Univ.-Prof. Friedrich Schneider und Elisabeth Dreer von der JKU Linz gebeten, eine Grundlagenstudie zu erarbeiten, welche Modelle es derzeit gibt und wie sich die Situation in Österreich darstellt.
Die Diskussion über das Grundeinkommen hängt wesentlich mit dem dahinter stehenden Menschenbild zusammen:
· Befürworter – Menschen sind fleißig, neugierig und kreativ
· Gegner – Menschen sind faul, bequem, ohne eigenen Antrieb
Position, Ansehen und Selbstwertgefühl beruhen in unserer Gesellschaft im Wesentlichen auf bezahlter Arbeit. Wer kein Erwerbseinkommen hat, wird vielfach als nicht vollwertig angesehen – z. B. Mütter/Hausfrauen oder Arbeitslose, die trotz Bemühen keinen Job finden, usw.
Dass der Wert eines Menschen von seiner Arbeitsleistung/Erwerbseinkommen abhängt, ist historisch nicht immer so gewesen – beispielsweise in der Antike, da wurde die Arbeit von Sklaven erledigt, so wie dies in der Zukunft die Roboter tun werden.
„Wir sehen die Gefahr, dass in der notwendigen politischen Diskussion zu diesem Thema von vornherein Standpunkte bezogen werden, ohne dass darüber im Vorfeld eine sachliche Diskussion stattfindet, wie wir dies etwa beim Thema Wertschöpfungsabgabe erleben“, erläutert IWS-GF Kurt Pieslinger.
Politik braucht daher Visionen, wie Menschen auch ohne Erwerbseinkommen als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft angesehen werden, und dazu braucht es Mut für Experimente wie in Finnland und in den Niederlanden.
Jürgen Schmidhuber, Leiter des Schweizer Labors für Künstliche Intelligenz, befürwortet ein bedingungsloses Grundeinkommen: „Irgendwann werden Roboter viele Dinge erledigen, die heute Menschen tun. Sie werden Smartphones zusammenbauen und Brombeeren pflücken. Diese Veränderung muss auch zu einem neuen Besteuerungsmodell führen. Roboterbesitzer werden Steuern zahlen müssen, um Mitglieder unserer Gesellschaft zu ernähren, die keine existenziell notwendigen Jobs mehr ausüben.“
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